Staub und Asche und andere Entdeckungen

Eine Betrachtung zum Beginn der Fastenzeit

Fasten
Hungertuch oder Fastenvelum. Geldern

Eine Ahnung von Unbefriedigtsein
▶︎ Es wäre unredlich, das närrische Treiben der vergangenen Tage für fromme Zwecke zu vereinnahmen und all seine Irrungen und Zerrbilder zu bagatellisieren. Wer Gespür für Sünde hat, wird manches Geschehen schmerzlich als Beleidigungen Gottes empfinden. Dennoch wird man zugeben, dass Karneval und Fastenzeit aus einem gemeinsamen Boden erwachsen sind. In beiden kommt eine Ahnung von Unbefriedigtsein durch, eine Unzufriedenheit mit der „condition humaine“, so wie sie jeder erfährt – in sich selbst und rings um sich herum in der Welt. Da liegt der Gedanke nahe, Narrenkappe wie Aschenkreuz seien je anders geartete Versuche, durch einen Befreiungsschlag aus der Enge mancher Zwänge herauszutreten.
▶︎ Gottesferne nennt der Glaube der Kirche den Grund für solches Unbefriedigtsein. Augustinus hat diesen Zustand vor seiner Bekehrung als eine dunkle Unruhe durchlebt und zu Beginn seiner „Bekenntnisse“ ins Wort gebracht: „Auf dich hin hast du uns geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Der Kirchenvater spricht vor Gott seine Erkenntnis aus, dass „du vor mir warst, ich aber hatte mich selbst verlassen und fand mich nicht, geschweige denn dich“.

Wege zu Gottesnähe
▶︎ Umkehr steht am Anfang des Bestrebens, Gott näher zu kommen. Der Prophet mahnt: „Kehrt um zu mir mit ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig.“ (Joel 2,12) Wie kommt man aber zur Umkehr? Am Anfang steht die Besinnung auf das Wesentliche. Das einprägsame Zeichen des Aschenkreuzes gibt die Anregung dazu: „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19). – Staub und Asche, Vergänglichkeit.
▶︎ Der erste Schritt ist dann reuige Einsicht und führt zur Beichte. Manche werden vielleicht entdecken, dass ihr Zögern weniger in theologischen Einwänden gründet als einfach in recht prosaischen Hemmnissen. Es gehört ja schließlich etwas Mut dazu, über den eigenen Schatten zu springen und sich ohne Umschweife als Sünder zu bekennen, der diese konkrete Sünde und jene und jene andere beim Namen nennt.
▶︎ Die Tradition der Kirche gibt drei weitere Schritte auf dem Weg der Umkehr vor: Gebet, Askese, die sich vor allem im Fasten ausdrückt, und Almosengeben. Askese heißt Sinn für Opfer, Überwindung, Entsagung. Der Apostel Paulus nennt dies mehrfach „Abtötung“. Der heutigen Wohlstandsgesellschaft ist dieses Wort kaum ebenso wenig verständlich wie seine praktische Umsetzung.

Den Sinn für Abtötung neu entdecken
▶︎ Wie kann man Abtötung heute verstehen? Ein Wort des heiligen Josefmaria Escrivá präzisiert den Ausdruck und beseitigt alle Alibis, die Opfer, Überwindung, Entsagung als unmöglich und unzeitgemäß hinstellen: „Die beste Abtötung ist jene, die – in winzigen Kleinigkeiten, den ganzen Tag hindurch – die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und die Hoffart des Lebens bekämpft. Es sollen Abtötungen sein, die nicht die anderen abtöten, die uns feinfühliger, verständnisvoller, offener allen anderen gegenüber machen. Du besitzt nicht den Geist der echten Abtötung, wenn du überempfindlich bist, wenn du nur auf deine egoistischen Wünsche bedacht bist, wenn du die anderen ausnützt, wenn du es nicht fertig bringst, dir Überflüssiges, manchmal auch Nötiges zu versagen; wenn du traurig wirst, nur weil dies oder jenes nicht nach deinen Vorstellungen geschieht. Echten Geist der Abtötung hast du hingegen, wenn du es verstehst, allen alles zu werden, um alle zu retten (1 Kor 9,22).“ (Christus begegnen, Nr. 9; vgl. auch Freunde Gottes, Nr.139-140).
▶︎ In einem Konziltext heißt es über die Fastenzeit, sie habe „die doppelte Aufgabe, vor allem einerseits durch Tauferinnerung oder Taufvorbereitung, andererseits durch Buße die Gläubigen, die in dieser Zeit mit größerem Eifer das Wort Gottes hören und dem Gebet obliegen sollen, auf die Feier des Pascha-Mysteriums vorzubereiten“. Deswegen nennt die Liturgie diese Zeit die „österliche Bußzeit“. Das Ziel ist Pascha, Ostern, die Quelle der einzigen Freude, die alle Zeiten durchtränken kann.