Paulus von Tarsus

Streiflichter eines leidenschaftlichen Lebens


Paulus2
Die Bekehrung des Paulus - Michelangelo zwischen 1542 und 1545

▶︎Der Apostel Paulus soll in den Jahren zwischen 7 und 10 nach Christus im kleinasiatischen Tarsus geboren worden sein. Aus Anlass seines 2000. Geburtstages hat Papst Benedikt XVI. ein Paulusjahr ausgerufen.

Wer war Paulus?
▶︎ Vierzehn Briefe und die „Apostelgeschichte“, deren zweiter Teil im wesentlichen Geschichte des Paulus ist, berichten zahlreiche Einzelheiten aus dem Leben des heiligen Apostels Paulus. Er hätte im Kreise der Pharisäer und Schriftgelehrte Karriere machen können, denn er war „zu Füßen Gamaliels genau nach dem Gesetz der Väter ausgebildet“ (Apg 22,3). Als „Eiferer für Gott“ (Apg 22,3) sah er im Glauben der Christen eine unheilvolle Irrlehre. Er hatte „Männer und Frauen gefesselt und in die Gefängnisse eingeliefert.“ (ebda.) Aber dann erkannte er Jesus als Vollender aller messianischen Hoffnungen und als Schlüssel zu der Geschichte Israels. Er erlebte ihn vor allem als einen Lebenden, der sich mit jenen, die er so heftig befehdete, identifizierte. „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ (Apg 9, 4-5) Kein anderes Ereignis hat die Entwicklung der apostolischen Urkirche so tief geprägt wie die Berufung des Paulus.

Ein Ruf, der befreit
▶︎ War die überwältigende Erfahrung auf dem Weg nach Damaskus ein plötzlich aufleuchtender Lichtstrahl? Oder ahnte er schon etwas, dunkel beunruhigend, als er der Steinigung des Stephanus beiwohnte und ihn rufen hörte: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an“? (Apg 7,59). Mit einem Satz, der zum betenden Nachdenken einlädt, heißt es in einer dem Kirchenvater Augustinus zugeschriebenen Predigt: „Si Stephanus non orasset, Ecclesia Paulus non haberet. - Wenn Stephanus nicht gebetet hätte, hätte die Kirche Paulus nicht gehabt“.
▶︎ Die Begegnung mit Jesus befreite Paulus vom Zug zum Fanatischen, den man im alten Saulus zu verspüren meint. Er erfuhr, „dass in Christus Gott in der Weise zu dem Menschen kommt, die innerlich erfasst, löst, öffnet, frei macht, umwandelt, umschafft: als Gnade (...). In der Stunde von Damaskus wird Paulus vom Joch gelöst, selbst leisten zu müssen - und damit von der Qual, es nicht zu können.“ (Romano Guardini)
▶︎ Nunmehr weiß der Apostel, dass die Initiative von Gott ausgeht. Nicht mehr er und seine Leistung, sondern Christus und seine Gnade stehen in der Mitte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich jetzt aber noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,19b-20).

Demütiges Selbstbewusstsein
▶︎ Der Herr selbst charakterisiert die Sendung des Apostels, wenn er die Sorgen des Hananias zerstreut: Dieser Mann ist mein auserwähltes Werkzeug: Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen. Ich werde ihm auch zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss (Apg 9,15-16). Der unscheinbare Hananias, sonst unbekannt, wird zum Werkzeug eines großen Werkzeuges. Er spricht zu Paulus: „Der Gott unserer Väter hat dich dazu erwählt, seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu sehen und die Stimme seines Mundes zu hören; denn du sollst vor allen Menschen sein Zeuge werden für das, was du gesehen und gehört hast.“
▶︎ Paulus stellt sein Amt und sein Charisma selbstbewusst und zugleich demütig heraus: „Paulus, durch Gottes Willen berufener Apostel Christi Jesu... (1 Kor 1,1), zum Apostel berufen, nicht von Menschen oder durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und durch Gott, den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat.“ (Gal 1,1).
▶︎ Dies zu betonen war auch ein Stück Selbstverteidigung gegenüber den höhnischen Bemerkungen der auf ihn herabblickenden Gegner. Er greift deren Spott auf: „Ja, die Briefe, wird gesagt, die sind wuchtig und voll Kraft, aber sein persönliches Auftreten ist matt, und seine Worte sind armselig“ (2 Kor 10,10). Es wird wohl so gewesen sein. Wie beruhigend und aufmuntern ist es, dass die Früchte des apostolischen Wirkens nicht aus rhetorischem Talent kommen!

Wie in das Paulusjahr eintreten?
▶︎ Eine Erwägung von Papst Benedikt XVI mag dazu helfen. „Die christliche Tradition hat von Anfang an Petrus und Paulus als voneinander untrennbar angesehen, auch wenn jeder von ihnen eine andere Sendung zu erfüllen hatte: Petrus bekannte als erster den Glauben an Christus, Paulus erhielt die Gabe, den Reichtum dieses Glaubens vertiefen zu können. Petrus gründete die erste Gemeinde der Christen, die aus dem auserwählten Volk stammten, Paulus wurde der Apostel der Heiden. Mit verschiedenen Charismen arbeiteten sie für ein und dieselbe Sache: den Aufbau der Kirche Christi. (...) Paulus ist als ´Geist´, als ´Theologe´viel größer gewesen als Simon Petrus. Der Gipfel seiner Größe liegt aber vielleicht darin, dass er jeder Versuchung zum intellektuellen Hochmut widerstanden und in dem ´kleinen Format´ des Kephas, wie er ihn meist nennt, die Weisheit, Gnade und Liebe Jesu Christi erkannt hat, die gerade deshalb ihn und keinen anderen als seinen Stellvertreter auf Erden einsetzte. Paulus begab sich nach Jerusalem, weil Simon Petrus dort war, das irdische Haupt der Kirche, und weil er ihn annehmen musste, er vor allen und als erster.“